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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Kolumne: Ein Zwischenruf zu Staatsdienern

Der NSU-Untersuchungsausschuss zeigt: Die, die dem Staat dienen sollten - Beamte und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst - haben eine Parallelgesellschaft errichtet.

Bei der Gedenkfeier für die Opfer der Zwickauer Nazizelle am 23. Februar in Berlin versprach die Kanzlerin sinngemäß, alles zu tun, um die Morde aufzuklären, alle Täter und Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen und ergänzte: „Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.“ Ein notwendiges Versprechen und ein tollkühnes, wie wir heute wissen. Denn nach sieben Monaten kompetenter Ermittlungsarbeit im Untersuchungsausschuss des Bundestages ist klar: Es wird sich nicht einlösen lassen. Bei Weitem nicht alles wurde getan und schon gar nicht mit Hochdruck. Das Versprechen war dennoch keine bewusste Irreführung der trauernden Hinterbliebenen, der schwer verletzten Kölner Opfer und der Öffentlichkeit. Die Kanzlerin glaubte an das, was sie sagte. Das spricht für sie; gescheitert ist das Versprechen nicht an ihrem festen Willen, dass geschehen muss, was elf Jahre lang versäumt worden war. Gescheitert ist es an denjenigen, die das politische Wort und Wollen in Taten umsetzen müssen: an der Verwaltung, genauer an Mitarbeitern im öffentlichen Dienst im engen und weiten Sinn (Minister und Behörden-Präsidenten eingeschlossen).

Wer den Beamten aus den Sicherheitsbehörden aufmerksam zugehört hat während ihrer Zeugenaussagen im Bundestag, tauchte in eine Parallelgesellschaft ein, abgeschotteter als Neuköllner Einwandererkieze. Bei den Ermittlern sah das so aus: Ausschließliche, sofortige Festlegung auf Einwanderer als Täter statt Offenheit bei der Spurendeutung. Was folgte war interner Gesinnungsdruck und Kumpanei. Wer konnte da anderes erwarten als das Rechtfertigen des nachweislich falschen Handelns? Und bei den Behördenchefs: das Amt wie einen eigenen Stamm führen, Abgrenzung gegenüber anderen „Stämmen“, Monopolisierung und Schreddern statt Offenbaren, bedingungslose Fürsorge auch gegenüber amtlichen Versagern. Fazit: Aus dem öffentlichen Dienst ist auf vielen Ebenen die öffentliche Herrschaft geworden. Was kümmert die ein Kanzlerinnenversprechen? Kanzler kommen und gehen, wir bleiben. Soll es wirklich so bleiben?

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